Wir haben mit Lila und Peter von Hallezusammen gesprochen. Sie sind Teil einer Initiative, die in der Neustadt von Halle Mieter*innen vernetzt und unterstützt hat. Sie selbst wohnen nicht im Südpark, der im Zentrum der hier besprochenen Auseinandersetzungen steht. Sie teilen auch einige Meta-Reflexionen über wohnraum- und gesellschaftspolitische Herangehensweisen.
Hallo Peter und Lila von Hallezusammen, wollt ihr euch vielleicht zunächst mal vorstellen, euch und vielleicht auch die Initiative und ein bisschen dazu erzählen, wie es dazu gekommen ist, dass ihr wohnraumpolitisch aktiv geworden seid?
Peter: Hallezusammen hat sich ursprünglich gegründet, um diesen beschworenen oder herbeihalluzinierten heißen Herbst, der irgendwann kommen sollte, von links zu begleiten bzw. natürlich auch selber aktiv zu werden. Und hat da erstmal Demos gemacht, grob gesagt zu Energiepreisen, Teuerungen generell, zu sozialen Verwerfungen, die dann angefangen haben. Und dann haben wir mitbekommen, dass es im Südpark schon länger krasse mietpolitische Probleme herrschen, grade in den Wohnungen von der Belvona. Von Schimmel über aufsteigendes Abwasser bis hin zu Ungezieferbefall, abgestellten Heizungen und allem möglichen. Und da haben wir gedacht, das wäre ein Thema, wo es ganz sinnvoll wäre, den Kontakt zu den Betroffenen zu suchen und zu schauen, ob die Unterstützung brauchen können. Man hat öfter gehört, dass die auch vorher schon probiert haben sich zu wehren, probiert haben Kontakt aufzunehmen zu den Vermietern, zur Verwaltungsgesellschaft, und dass da einfach nie irgendeine Reaktion kam – wie das halt häufig ist, glaub ich, wenn einzelne Mieter*innen versuchen, auf eigene Faust was zu machen, ohne groß zusammenzuarbeiten. Also sind wir mehr oder weniger spontan da hingefahren in dieses Viertel, und haben probiert, dort Leute anzusprechen, und sind da auch auf ganz gute Resonanz gestoßen.
Lila: Ich würde auch sagen, es war der gleiche Gründungsmoment wie bei Genug ist Genug. Und aus meiner Perspektive war uns das immer zu theoretisch, und zu sehr so, dass man politische Forderungen an den Staat stellt, der das irgendwie für uns regeln soll. Und wir wollten konkrete Support-, Selbsthilfestrukturen aufbauen in der Stadt. Da hat sich der Südpark dann einfach aufgedrängt, weil da die Verhältnisse unter aller Menschenwürde laufen. Da schien es am dringendsten. Die Leute würden die Teuerungen und alles im Herbst am heftigsten treffen.
Ihr habt jetzt gesagt, im Südpark schien es am dringendsten, könnt ihr einmal Kontext geben für Leute, die nicht so ortskundig sind: Was ist der Südpark?
Lila: Das ist ein ein Block in der Neustadt. Die Neustadt ist ein Viertel, das in den 70ern hochgezogen wurde, ein Plattenbau, was damals die beste Wohngegend war. Jetzt ist das halt Platte. Runtergerockt. Und es scheint in die Methode von diesen Immobilienkonzernen, wovon es ja ein paar mehr gibt, reinzupassen, dass die sich dezidiert runtergerockte Viertel zum Aufkaufen suchen.
Peter: Die Neustadt an sich gilt schon immer als ein abgehängter, marginalisierter Stadtteil von Halle. Der Südpark ist einfach nochmal der hinterste Rand der Neustadt, wo sowohl physisch bzw. logistisch ganz wenig Anschluss an den Rest von der Stadt herrscht, als auch die Menschen wirklich vollkommen alleingelassen werden.
Lila: Und auch eine vielleicht klassenbedingte Scheu haben, in der Stadt Anschluss zu finden. Das hab ich im Kontakt bemerkt, da kam dann mal so ein Spruch „durch euch verlieren wir die Scheu auf Leute zuzugehen, Termine wahrzunehmen bei Leuten, die in der Situation helfen wollen“.
„Transparent machen!“ – über Strategien und Verflechtungen von Immobilienkonzernen
Ihr habt gesagt, dass es eine Strategie von Belvona und Co zu sein scheint, abgerockte Sachen aufzukaufen, könnt ihr ein bisschen mehr dazu erzählen – was habt ihr so über diesen Vermieter rausgefunden und was habt ihr da für Strukturen erkannt?
Lila: Wie es aktuell ist, weiß ich gar nicht, weil die recht schnell darin sind, Sachen zu verkaufen, oder zumindest zum Schein zu verkaufen an ihre Immobilien Groupies (lacht). Also das hat ja vor zwanzig Jahren angefangen, dass die sich da solche Strategien zugelegt haben mit Scheinverkäufen, wenn sie von den Mietern vor Gericht gezogen werden, weil sie in menschenunwürdigen Zuständen da wohnen, und die Vermieter nichts machen, nicht erreichbar sind usw. Also immer in dem Moment, wo sie vor Gericht landen könnten, verkaufen sie, zumindest zum Schein, vielleicht auch in echt. Und Birger Behne, Lichtensteiner, seit 20 Jahren im Business, ist einer der größten Fische im Wohnungenbusiness.
Peter: Also wir schwimmen da so ein bisschen bei den Aussagen, weil dieses ganze Firmengeflecht, das da hinter diesen Wohnblocks und Verwaltergesellschaften steht, vollkommen undurchsichtig ist. Es ist relativ klar, dass dieser Behne am Ende der Besitzer ist. Und dann ist da die Belvona, mit der wir ja eigentlich am meisten konfrontiert waren. Die treibt auch nicht nur in Halle, sondern auch in vielen anderen Städten mindestens in Deutschland ihr Unwesen. Es gibt dazu auch Medienberichte und Facebook Gruppen, die zeigen, dass das eigentlich überall ungefähr die gleichen Zustände sind. Es ist nicht so klar, ob die jetzt Verwaltergesellschaft oder doch die Eigentümergesellschaft ist, das wechselt auch manchmal. Manchmal tritt sie als Vermieter auf, manchmal auch nicht. Wir haben mit einem gesprochen, der meinte, er hätte in den letzten ungefähr zwei Jahren an vier unterschiedliche angebliche Vermieter überwiesen, aber immer das gleiche Konto. Da wechselt der Rahmen, aber die Struktur ist offensichtlich die gleiche.
Und nochmal zu dieser Verkaufen-Strategie: Es gab ab 2004 gerade von Immobilienhedgefonds oder generell größeren Immobilienkonzernen das Muster, gerade diese runtergerockten Platten in Ostdeutschland zu kaufen, weil die mit Hartz4 dann die Garantie hatten, dass sie die vermieten können. Und dadurch, dass das Jobcenter direkt die Miete übernimmt und nicht das Geld erst an die Empfänger*innen überweist, und die dann die Miete übernehmen, waren die dann auch viel weniger mit den Mieter*innen konfrontiert, sondern konnten mit den Leuten machen, was sie wollten.
Lila: Es ist ziemlich interessant, sich in diese Strukturen reinzufuchsen, das ist wie so‘n Kriminalroman. (lacht) Ein Kumpel, der journalistisch dazu arbeitet, meinte, dieser Birger Dehne wäre zusammen mit anderen in viel viel mehr solchen Firmen gewesen, und ab einem gewissen Zeitpunkt läuft bei dem nur noch eine Firma offiziell, was wohl drauf hindeuten kann, dass da vielleicht auch Geldwäsche läuft. Ich kenne mich damit nicht so aus und durchblicke sowas nicht. Aber Leute, die da hinterher sind und wissen, wie man Recherche macht, sehen dann recht schnell, was da so hin und hergeschoben wird, und dass das auch Steuertricks und so weiter sind, und wann da der Geschäftsführer wie wechselt und so Zeugs.
Beim Thema Wohnen ist das ja oft so dass man mit einem undurchsichtigen Netz aus Firmen und Tochterfirmen etc. konfrontiert ist. Als kleinen Exkurs habe ich die Frage: Für wie relevant oder auch für wie sinnvoll haltet ihr das, zu versuchen, diese Strukturen zu durchblicken?
Lila: Wichtig! Öffentlichkeit! Transparent machen, was die versuchen, nicht transparent werden zu lassen.
Peter: Auch weil ja gerne unserer Seite vorgeworfen wird, wir wären die Troublemaker und die Rechtsbrecher. Da müssen wir mal systematisch durchleuchten, was die eigentlich wann und wo für Sachen bauen. In Berlin gab es das bei der Liebig, dass der Vermieter dann Rockergangs angeheuert hat, um den Bewohner*innen die Hölle heiß zu machen. Hier in Halle, bei einem anderen Objekt, ist der Vermieter zum Gerichtstermin gekommen mit Securities, die aus einem rechtsoffenen Kampfsportmilieu kommen. Diese Verstrickungen gerade in der Immobilienbranche zwischen vermeintlich sauberen Firmen und letztlich organisierter Kriminalität bis zu rechtsextremen Strukturen – sowas kann man öffentlich machen und erreicht damit vielleicht auch Leute, die jetzt nicht von vornherein auf unserer Seite stehen. Und das dann aber doch krass finden, was da für zwielichtige Sachen in diesem Immobilienmilieu laufen.
„gesundheitliche Schäden aufgrund der Wohnverhältnisse“ – Wohnbedingungen sind Lebensbedingungen
…Damit wieder zurück zum Südpark. Ihr habt jetzt mehrmals erwähnt, dass es ganz menschenunwürdige Bedingungen waren, oder auch sind, unter denen Menschen u.a. im Südpark wohnen. Könnt ihr mal einen Abriss darüber geben, was waren da so die Erfahrungen und die Probleme vor Ort?
Lila: In die Presse kam es unter anderem dadurch, dass die Menschen im Südpark selbst Kontakt zur Presse aufgenommen haben, weil Heizungen nicht funktioniert haben, als die Heizperiode schon angefangen hat. Da hat sich dann im Laufe unserer Zusammenarbeit herausgestellt, dass da nicht nur marode Heizanlagen sind, die eh nicht mehr funktionieren, sondern dass die auch sogar hingehen und stellen dem einen Haus die Heizung wieder an, nachdem öffentlich Druck gemacht wurde, und stellen im selben Moment ein Haus nebenan im selben Block die Heizung wieder ab. Das ist Psychostress. Es sind also nicht nur bauliche Sachen, die nicht repariert werden, sondern es scheinen auch so Sachen absichtlich zu passieren. Es sind auch solche Sachen gelaufen wie dass die keine Nebenkosten an die Stadtwerke bezahlen, und dass deswegen die Heizungen abgestellt werden, obwohl die Mieter die Nebenkosten an den Vermieter bezahlt haben. Und die Häuser werden nicht renoviert und in unmöglichen Zuständen gelassen. Die haben teilweise keine Haustüren unten drin. Es ist vermüllt, und leerstehende Wohnungen werden nicht aufgeräumt, sodass das Ratten zieht usw. Die haben Kakerlaken im Haus, die kannst du nicht alleine in deiner Wohnung bekämpfen, weil wenn die im Keller und Speicher herumrennen, kannst du die bekämpfen, solange du willst. Die Hausverwaltung tut nichts. Es ist Schwarzschimmel im Haus, auch da tut der Vermieter nichts. Und der Overkill war, dass sich bei abgestellter Heizung und so weiter die Abwässer durch Badewannen hochgedrückt haben. Die hatten dann die Badewanne wirklich voll Abwasser stehen, was tatsächlich juristisch auch als Körperverletzung einzustufen ist, weil du extrem schnell Atemwegsprobleme usw. kriegst. Da sind mehrere Kinder – wir haben die Atteste gesehen – denen vom Arzt attestiert wurde, dass sie aufgrund der Wohnverhältnisse gesundheitliche Schäden haben.
Der Organisierungsprozess: Kontaktaufnahme, rechte Vereinnahmung und Angriffsflächen
Ihr habt gesagt, Menschen haben sich auch schon selbst immer mal wieder versucht an die Presse zu wenden. Wie seid ihr dann da herangegangen? Wie habt ihr eine Strategie entwickelt?
Lila: Wir sind strategielos mit einer Küfa (Küche für alle) rangefahren (lacht). Also wir haben Essen gekocht und zwei Bierbänke dabei gehabt und einen Pavillon. Haben vorher Flyer im Südpark aufgehängt, dass wir das tun werden. Und dann haben wir die Tische aufgebaut und da einen Tag gestanden. (lacht)
Peter: Wir sind dann auch noch durch einige von den Häusern gegangen und haben die Menschen direkt an der Wohnungstür probiert anzusprechen, um irgendwie Kontakt aufzubauen. Das hat größtenteils auch ganz gut funktioniert. Dann haben wir zu einem Treffen eingeladen.
Lila: Ja. Es gab eine Person, die ist in einem Organizing-Workshop gewesen, und die hat dann diese Strategie gemacht, von Haus zu Haus zu gehen, Telefonnummern zusammensammeln und so weiter. Das ist eine Weile gelaufen. Und es gab eine Kleiderspendenaktion. Die ist super wichtig gewesen: Es wurde von den Leuten im Südpark aufgerufen, Kleider zu spenden weil die Heizungen nicht funktionieren. Wir haben dann Häuser gefragt, ob wir die als Sammelstelle gebrauchen dürfen, und haben organisiert, die Sachen mit Autos in den Südpark zu fahren. Das war richtig gut, weil das gleichzeitig auch Öffentlichkeit geschaffen hat, auf eine andere Art als vorher.
So ist es dann bekannt geworden. Und es gab dann eine erste Küfa und Spendenaktionen. Dann habt ihr euch zu einem Und wie ist es dann weiter gegangen als ihr den Kontakt hattet und euch getroffen habt?
Lila: Da hat uns der rechtspopulistische Mieterrat gekapert (lacht). Das ist glaub‘ ich auch eine Erfahrung… Man versucht da mit fremden Leuten in Kontakt zu kommen, also ist das ein Treffen, wo natürlich alle herzlich eingeladen sind. Das heißt aber auch, da können dann Leute sitzen, die andere Interessen haben, als du selber vertrittst. Der Mieterrat sind Leute, die hören sich an wie der Mieterbund der so, das ist aber eine politisch suspekte Partei. Die behauptet, im Interesse von Mieter*innen zu agieren, ist aber selbst eng verbandelt mit Immobilienfirmen, und mit Politikern, aus dem Freie Wähler- bis AfD-Kontext.
Peter: Also keine Berührungsängste zur AfD, aber vor allem Politiker aus so einem rechtsliberalen und rechtskonservativen Spektrum. Und eben auch in die Lokalpolitik.
Lila: In Halle ist da auch ein Anwalt Mitglied, der Rechte vertritt, und beschissene Arbeitgeber. Die haben nach dem ersten Treffen nach der Küfa Ideen aufgegriffen, die wir diskutiert hatten. Nämlich, dass man diese Spendenaktionen mit offenen Briefen an den Bürgermeistern kombinieren könnte, wo man ihn dazu aufruft, vorbeizukommen und seine politische Position zu nutzen, um die Verhältnisse da zu verbessern. Die haben dann Bürgermeister und Belvona kontaktiert, um an uns und den Südparkbewohner*innen vorbei irgendwelche Deals zu schließen. Und das haben wir per Zufall mitgekriegt, und haben darauf der Presse Bescheid gesagt, weil Presse ja auch immer ein bisschen schützt, dass da nicht rechtswidrige Sachen passieren. Das ist denke ich sinnvoll, zu teilen: Wie schnell das geht, dass da andere Interessen versuchen, den Schwung, den man grade reinbringt, die mediale Aufmerksamkeit und so weiter zu nutzen, um zum Schein im Interesse der Mieter*innen zu agieren. Die haben sich auch vor die Presse gestellt und gesagt „seit Jahren probieren wir schon zu helfen und wir sind die einzigen“. Der hat sich auch nicht geschämt, mir in Anwesenheit der Presse zu erzählen, dass er ein 4-Augen-Gespräch mit dem Belvona-Chef hat, was sie „nicht an die große Glocke hängen wollen“, während sie aber in der Presse anders auftreten.
Zu diesen Deals: Ich habe so grob mitbekommen, dass es in dieser Zeit dann Vernetzungsgruppen gab, in denen sehr viel hin und her geschrieben wurde, und dass dann aber einzelne Menschen neue Wohnungen angeboten bekommen haben. Was könnt ihr dazu erzählen?
Lila: Das war genau an diesem Tag, den ich beschrieben hatte, wo der Mieterrat Belvona und Bürgermeister eingeladen hatte.
Peter: Da haben sie im Grunde recht gezielt eine Person bzw. Familie ausgemacht, die für die Initiative wichtig war. Und dieser Person (und noch ein oder zwei weiteren) wurde eine Wohnung angeboten. Bei dieser Person, die in Anführungszeichen „Rädelsführer“ war, hat danach in den Chatgruppen ganz anders agiert als vorher. Das war dann nach dem Motto „Belvona tut ja was, Belvona kümmert sich, dass es besser wird, hört auf Stress zu machen“. Was für diese Familie ja durchaus stimmt, die haben offensichtlich eine menschenwürdigere Wohnung bekommen. Und alle anderen sind in genau der gleichen Situation, wie sie es vorher auch waren.
Lila: Eine bekannte Spaltungsstrategie. Also diese eine Person ist nicht nur weggeschnitten worden, sondern die hat angefangen aktiv gegen uns zu arbeiten. Die hat angefangen mit der Energie gegen die Gruppe zu arbeiten, die sie vorher hatte, um das Ding ins Laufen zu bringen.
Peter: Das Prinzip von „wir stehen nicht so auf autoritäre Strukturen“ deckt sich am Ende mit der Erkenntnis „ja die sind halt auch viel leichter auszuhebeln“. Wenn die Verantwortung, auch der Elan, irgendwie besser in dieser Gruppe verteilt gewesen wäre, dann wäre das nicht so einfach gewesen, die rauszukaufen und auszuhebeln.
Zusammenschließen gegen die Vereinzelung
Und was sind trotz dieser Geschichte Sachen, die funktioniert haben? Gab es danach noch irgendwas was passiert ist, gab es noch diese Solidaritätserfahrung unter den Bewohner*innen, gab es noch Spendenaktionen, oder wie ist das ganze ausgegangen?
Lila: Es ging weiter mit Spendenaktionen. Es war insofern erfolgreich, als dass der Bürgermeister zumindest irgendwie anwesend war. Und dann gab es Treffen, dass Notfallwohnungen zur Verfügung gestellt würden, wenn das ganz schlimm wär. Allerdings haben die diese Abwässer in der Badewanne anscheinend nicht als Körperverletzung interpretiert.
Peter: Es hat seitdem auch noch mindestens eine Begehung gegeben, aber die Aussage ist eigentlich: „Bewohnbar sind die Wohnungen schon“. Anscheinend gelten großflächiger Schimmelbefall, Ungezieferbefall und so weiter dann nicht als unbewohnbar, zumindestens für die hallesche Stadtpolitik. Das Thema ist weiterhin zumindest in der Lokalpresse präsent, auch in der Lokalpolitik. Man macht ein paar Termine, aber letzten Endes ziehen sie sich darauf zurück, dass sie nicht wirklich etwas machen könnten.
Lila: Die Leute im Südpark haben auch angefangen, sich mit anderen Städten zu vernetzen, wo ähnliche Verhältnisse sind. Ich glaube, es war wichtig, dass die Leute gesehen haben: Sie sind nicht alleine, und wenn man sich zusammentut und nicht vereinzelt an die Presse geht, passiert auch mehr.
Lila: Ich glaube das, was im Kapitalismus immer läuft, ist die Vereinzelung der Leute über verschiedene Mechanismen. Das, was wir einbringen können als nicht unmittelbar Betroffene (naja, ich bin ja auch Mieterin und so weiter und hab da auch meine Sorgen, aber einfach nicht so heftig wie im Südpark), ist einfach zu sagen „hey, wenn ihr das als Kollektiv tut, seid ihr stärker“. Und ich glaube das ist eine Erfahrung, die ist nicht allgemein gesellschaftlich. Das ist die Stärke, die du in Initiativen hast und die man da beitragen kann.
Peter: Ich würde noch an den Vereinzelungspunkt anschließen. Das Ding ist ja auch, dass die in Anführungszeichen üblichen Wege, die hier gesellschaftlich so angeboten werden, wie man gegen solche Zustände vorgehen kann (also der Rechtsweg, die Mietminderung, der Kontakt zum Vermieter usw.), die sind ja alle so ausgelegt, dass das Einzelpersonen für sich machen. Und dass die da ihre eigenen ganz konkreten Missstände anprangern. Beispielsweise muss man ja, wenn man eine Mietminderung macht, ganz genau aufzeigen, welcher Missstand ist das, wann wurde der festgestellt, wann wurde der dem Vermieter mitgeteilt und so weiter und so fort. Und auf „offiziellen“ Wegen gibt es nirgends die Option, etwas kollektiv zu machen. Gerade in Sachen Mieter*innen sind ja nicht nur einzelne Wohnungen, es sind meist ganze Häuser oder Blocks betroffen. Und das wichtige, was Lila schon meinte, ist denke ich, das mal reinzubringen, und zu sagen: „Es gibt auch andere Wege als den Rechtsweg, als das, was so offiziell als Lösungsmittel angeboten wird. Nämlich den Weg über die Öffentlichkeit, politisch Druck aufzubauen“ und so weiter. Ich denke diese Erfahrung, die ich sag mal „wir alle in linken Milieus“ gemacht haben in unserer politischen Arbeit, die machen Menschen sonst oft nicht. Und bleiben deswegen in diesen immer automatisch zur Vereinzelung führenden offiziellen Kanälen.
„Es ist halt wirklich die Selbstorganisation!“
Lila: Was ich noch mitgeben würde: Ich glaube nicht, dass mit Staatsappellen und Enteignungsforderungen irgendwas gewonnen wird. Genau dagegen immunisieren sich diese Immobilienstrukturen. Und es gibt offensichtlich politisches Interesse, diese Immobilienfirmen keine Steine in den Weg zu legen. Der Bürgermeister und der Belvona Typ hat zusammen mit dieser einen Person in der Wohnung gestanden und ihr die Wohnung angeboten, während sie die Tür zugehalten haben, damit ich nicht in den Raum komme. Politisches Interesse und kapitalistisches Interesse geht auch hier offensichtlich Hand in Hand. Darum glaube ich nicht, dass man mit Enteignungsforderungen, wo der Staat statt wer auch immer enteignen soll, etwas gewinnt.
Okay, also du sagst: Die Enteignung durch den Staat, das kann nicht funktionieren. Was würdest du dem alternativ entgegenstellen?
Lila: Schlagkräftige Selbsthilfestrukturen, die sich das nicht gefallen lassen, was Kapital und Staat mit uns machen.
Peter: Am Südpark hat man auch gesehen, dass anscheinend die Belvona der Enteignungsgeschichte gar nicht so abgeneigt war. Die wären aus dem Schneider gewesen, wenn die Stadt da eingesprungen wäre. Dann hätten sie nichts mehr bezahlen müssen und wären diese Abrissbuden einfach losgeworden, die sie sonst nie irgendwo verkaufen könnten. Enteignen, verstaatlichen, das geht einigen Linken immer gut über die Lippen und klingt so nach radikaler Lösung, aber gerade in dieser Situation wäre das völlig abstrus gewesen, weil man der Belvona damit in die Karten spielt, anstatt dass man sagt „entweder übernehmen die Mieter ihre Wohnungen selber und ihr kriegt nichts dafür oder ihr macht jetzt eure Pflicht und nehmt Geld in die Hand“. Man muss sich also auch vergegenwärtigen, was die Situation ist.
Und neben starken Strukturen der Selbstorganisation und solidarischen Selbsthilfe, was würdet ihr sagen, wie kann man trotzdem das Prinzip angreifen, dass Wohnraum eine Kapitalanlage ist?
Lila: Es ist halt wirklich die Selbstorganisation. Auf der einen Seite natürlich das bisschen Rechtsweg zu nutzen, soweit es irgendwie möglich ist. Das heißt: Mich will jemand während dem Sanierungsprozess rausschmeißen? Versuchen, das möglichst lange psychisch durchzuhalten, auf sein Recht zu bestehen, zu schauen, dass die nicht die Miete erhöhen dürfen, dass man da wohnen bleiben kann. Bis hin zu anderen Sachen – je mehr wir werden, desto besser.
Peter: Worauf es langfristig abzielt, ist natürlich, wie der Spruch so schön heißt, dass die Häuser denen gehören, die drin wohnen. Dass man auf eine Gesellschaft hinarbeitet, wo man nicht vom Wohlwollen von Eigentümern oder Gesellschaften abhängig ist, die Geld machen mit dem eigenen körperlichen Bedürfnis, irgendwo unter zu kommen. Was das konkret heißt ist, immer ein bisschen schwierig zu sagen, weil wir uns ja innerhalb der Grenzen bewegen, die uns diese Gesellschaft steckt. Wir können nicht ganz so einfach sagen „Wir zahlen jetzt keine Mieter mehr, weil die Häuser gehören uns“, weil dann werden wir halt rausgeschmissen. Und letztendlich läuft es dann darauf hinaus, dass man sich zusammenschließt. Erstmal natürlich in den Häusern, wo man wohnt, in den Vierteln, und im Idealfall natürlich noch darüber hinaus. Dass man die paar Rechte, die einem staatlicherseits zugesprochen werden, auch durch rechtliche Widerstandswege ausreizt. Und auf der anderen Seite probiert, diese schlagkräftige Mieter*innenbewegung zu schaffen, die es braucht, um über die rechtlichen Grenzen hinaus die eigenen Bedürfnisse durchzusetzen gegen Kapital und am Ende sicher auch gegen den Staat.
Lila: Das Problem gibt es ja nicht erst seit heute. Das hat eine lange Tradition über verschiedene Generationen hinweg, und da ist vieles ist über verschiedene Ansatzweisen hinweg probiert worden – Hausbesetzungen, eigene Viertel aufbauen und so weiter. Wir stehen in einer langen Tradition, aber was wir hier in Halle auch an einem anderen Objekt gesehen haben, ist: Wenn Leute sich wehren, zum Beispiel wenn kaltsaniert werden soll und so weiter, dann kannst du denen zeigen, dass du nicht alles mit dir machen lässt. Und es gibt Fälle, wo Leute immer noch in dem Haus wohnen, und der Vermieter saniert nicht mehr seit einem Jahr, weil da einfach ganz normale Leute, Families, auf ihrem gesetzlichen Recht bestehen. Und sowas kriegen ja Immobilienleute mit. Und wenn die merken „oh, in Halle, da wehren sich die Leute, dann überleg ich mir das zweimal, das könnte meine Sanierung verzögern“, dann ist ja auch schonmal was gewonnen. Also, wir wehren uns zu lange nicht mehr. Auch in anderen Sachen. Wir haben eine Reallohnsenkung seit den Siebzigern. Wir sind das also so gewohnt, uns geht’s gut und wir klagen unsere Rechte nicht ein, und bevor es irgendeinen Stress auf der Arbeit oder beim Wohnen gibt, da zieh ich halt aus oder suche mir einen anderen Job. Ich glaube, von dem Mindset müssen wir runter. Und mit den Nachbarn reden, wenn was mit dem Vermieter ist. Und mit den Kollegen reden, wenn irgendwas auf der Arbeit ist. Und vielleicht auch auf der Party, wenn ja jemand ist, der auf den Boden schaut – den fragen, ob‘s dem gut geht. Solidarität! (lacht). Solidarität wäre die Antwort. Auf alles. (lacht)
Danke für das Gespräch!
Anmerkung durch die Redaktion: Verschiedene Perspektiven auf die Wege zur Vergesellschaftung sowie auf die Rolle von Staat und Selbstorganisation wurden und werden in wohnpolitischen Gruppen und Bewegungen viel diskutiert. Die hier ausgeführten Positionen sind eine Perspektive, die jedoch nicht repräsentativ oder abschließend für Gruppen oder Bündnisse stehen. Einen Vorschlag für eine Enteignung, die keine Verstaatlichung ist, macht die Initiative Deutsche Wohnen und Co. enteignen.